Große Wellen schlägt zur Zeit der neue "Jugendmedienschutz-Staatsvertrag" (JMStV), der Anfang 2011 in Kraft treten soll. "Totale Internet-Zensur ab 2011" titelt eine Webseite, es drohe das Aus für Blogs, reihenweise würden Webseiten gesperrt, der Schaden sei nicht abzusehen. Anstoß zur Änderung des JmStV scheint der Amoklauf von Winnenden gegeben zu haben.
Doch was wird sich im neuen Jahr voraussichtlich tatsächlich ändern? Muss jetzt jeder jede einzelne seiner Webseiten kennzeichnen?
Im Prinzip geht es bei der Novellierung des JmStV darum, dass Inhalte im Internet gekennzeichnet werden müssen, wenn sie nicht für Kinder geeignet sind. Die Klassifizierung soll nach einem ähnlichen Schema erfolgen wie bei Filmen und Computerspielen. Dabei, so die Leiterin des Münchner Instituts für Medienpädagogik in Forschung und Praxis Kathrin Demmler, "seien schon für die Bewertung der nach klassischem Jugendschutzrecht unter Beobachtung stehenden Inhalte ... psychologische Erfahrungen wichtig." (heise.de)
Es ist auch möglich, den Zugang zu solchen Seiten zu beschränken, z.B. durch Zugangssperren oder "Sendezeit"-Beschränkungen (?!).
Bisher gibt es noch große Verunsicherungen, und wie es aussieht, haben noch nicht alle Länder zugestimmt. Bleibt zu hoffen, dass nicht der erste Schritt zu einer großen Internetzensur gemacht wird, sondern sich die Damen und Herren Politiker auf eine vernünftigere Lösung besinnen.
Zu den grundsätzlichen Fragen ein kurzer Auszug der Freiwilligen Selbstkontrolle:
"Bin ich nach dem neuen JMStV verpflichtet, mein Angebot zu kennzeichnen?
Nein. Grundsätzlich gilt: Inhalte können, wenn sie nicht gegen das Strafrecht verstoßen, im Internet auch zukünftig frei angeboten werden, ohne dass der Anbieter aus jugendschutzrechtlicher Sicht aktiv werden muss.
Von diesem Grundsatz gibt es zwei Ausnahmen:
- Inhalte, die nur für Nutzer ab 12 Jahren geeignet sind und nicht von Inhalten, die für jüngere Kinder bestimmt sind, getrennt gehalten werden
- Inhalte, die nur für Nutzer ab 16 oder 18 Jahren geeignet sind.
Sollte eine der Ausnahmen auf Ihr Angebot zutreffen, sind Sie auch schon bisher dazu verpflichtet, eine der folgenden Maßnahmen zu ergreifen um die gesetzlichen Handlungspflichten zur gesetzeskonformen Ausgestaltung zu erfüllen:
- Nutzung von Sendezeitbegrenzungen
- Vorschalten technischer oder sonstiger Mittel
- das Programmieren für ein Jugendschutzprogramm, also die Altersklassifizierung, ist nach dem neuen JMStV ein Unterfall von dieser Möglichkeit, vgl. § 5 Abs. 5 Nr. 1, § 11 Abs. 1 JMStV-2011
Der Einsatz "technischer oder sonstiger" Mittel ist nach der bisherigen Rechtslage umständlich und wenig wirkungsvoll. Durch die neue Möglichkeit, ein Angebot mit einer Altersstufe zu kennzeichnen, tritt eine Alternative hinzu, die viel besser zum Medium Internet passt als Zeitbeschränkungen oder etwa die Abfrage der Personalausweisnummer.
? Ich möchte mein Angebot nicht kennzeichnen. Ist mein Angebot deswegen dann nicht mehr zugänglich? Besteht eine de-facto-Kennzeichnungspflicht?
Die Klassifizierung wird ausschließlich von nutzerautonomen Jugendschutzprogrammen ausgelesen, z.B. auf Computern, die Eltern für ihre Kinder sicher konfiguriert haben. Die Strenge der Filterung kann dabei von den Eltern individuell eingestellt werden. Sie können optional festlegen, dass nur gekennzeichnete Inhalte angezeigt werden.
Soweit eine Seite nicht klassifiziert ist, wird sie demnach nur unter folgenden Voraussetzungen nicht angezeigt:
- Am Computer des Endnutzers ist aktiv ein Jugendschutzprogramm eingerichtet worden. Die Entscheidung, ob ein Jugendschutzprogramm installiert wird und wie dies konfiguriert ist, obliegt allein dem Nutzer, z.B. den Eltern, die einen Computer für ihr Kind sicher gestalten wollen.
- Das Jugendschutzprogramm ist zusätzlich so konfiguriert (optional), dass nicht gekennzeichnete Seiten nicht angezeigt werden.
Soweit Schulen entsprechende Filter einsetzen und diese „strikt“ konfigurieren, gilt das auch für diesen Fall. Schulfilter sind aber auch heute schon installiert und abhängig von der Entscheidung der jeweiligen Schule bzw. Kinder- und Jugendeinrichtung als strikt oder weniger strikt konfigurierbar. Jugendschutzprogramme beinhalten natürlich weitere Mechanismen (z.B. Blacklist, Whitelist) sowie die Möglichkeit der manuellen Freigabe oder Sperrung einzelner Websites. Die Alterskennzeichnung tritt lediglich als neues Instrument hinzu, um die Entscheidung der Filterprogramme einfacher und die Qualität der Filterung besser zu machen.
" Ich habe user generated content in meinem Angebot. Muss bzw. kann ich das auch klassifizieren? Muss ich den Content überwachen?
Man kann diese Inhalte klassifizieren, eine Verpflichtung besteht aber nicht. Voran zu stellen ist hierbei, dass Plattformanbieter nicht für Drittinhalte haften, solange sie keine Kenntnis davon haben. Plattformanbieter sind also ganz allgemein hinsichtlich unbekanntem Inhalt von Dritten (Foreneinträge, Kommentare etc.) jugendmedienschutzrechtlich nicht in der Pflicht, solange keine Kenntnis besteht. Auch eine Überwachungspflicht besteht nicht."
Alles unter http://www.fsm.de/de/jmstv-2011
Quellen:
- beck-block.de
- Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter
- Gesetzestext des JMStV
- t3n.de
- Heise-Newsticker vom 3.12.2010